Regenerative Landwirtschaft steht mitten im Diskurs um eine zukunftsfähige Lebensmittelproduktion. Hier liegt der Fokus auf bodenschonenden Praktiken und deren Potential, die Kohlenstoffspeicherung der Böden zu fördern und damit einen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten.
Davon profitieren nicht nur Landwirt:innen: Auch im Lebensmitteleinzelhandel läuft die Suche nach Reduktionsmaßnahmen für Emissionen in der Wertschöpfungskette auf Hochtouren. An dieser Stelle kommt oft „Carbon Farming“ ins Spiel – die Honorierung von Kohlenstoffspeicherung über CO2-Zertifikate, wofür eben diese regenerativen, bodenschonenden Praktiken relevant sind.
Aber wie können Unternehmen Carbon Farming für Ihre Klimaziele und Science Based Targets nutzen, und welche Herausforderungen bestehen dabei?
Vergütung für Kohlenstoffbindung – wie funktioniert Carbon Farming?
Das primäre Ziel des Carbon Farmings ist die Vergütung von Kohlenstoffspeicherung über CO2-Zertifikate, oft über landwirtschaftliche Betriebe. Diese Betriebe schließen hierbei in der Regel langfristige Verträge mit Zertifizierungsunternehmen, welche nach Vertragslaufzeit den Kohlenstoffgehalt im Boden ermitteln und für dessen Steigerung Prämien zahlen. So dürfte Carbon Farming mittel- und langfristig für Landwirt:innen finanziell attraktiv sein. Unternehmen kaufen diese Zertifikate wiederum, um Ihre Emissionen zu kompensieren, sogenanntes „Offsetting“.
Die EU präsentiert Carbon Farming als “grünes Geschäftsmodell” und als Teil der Lösung zur Emissionsreduktion in der Landwirtschaft. Neben landwirtschaftlichen Praktiken zählt die EU auch die Renaturierung von Wäldern oder Mooren zu Praktiken im Bereich des Carbon Farmings.
Carbon Farming wird oft mit dem Begriff der regenerativen Landwirtschaft gleichgesetzt. In der Tat nutzen Landwirt:innen zum Carbon Farming in der Regel regenerative, bodenschonende Methoden. Jedoch steht die regenerative Landwirtschaft als ganzheitlicher, prozessualer Ansatz in Kontrast zum finanziell incentivierten Carbon Farming mit dem Fokus auf Treibhausgas-Management.
Wieso Carbon Farming mit Vorsicht zu genießen ist:
Carbon Farming klingt nach einem Gewinn für alle: Landwirt:innen, Unternehmen, Klima, Regenwürmer. Allerdings wird das Konzept und die “Hummus-Zertifikate” von Fachleuten kritisch betrachtet. Sechs Kriterien spielen dabei eine besondere Rolle:
NGOs fordern aufgrund der genannten Kritikpunkte unter anderem die Schaffung von Anreizen zum Humusaufbau durch allgemeine Förderprogramme statt durch Zertifikate.
Carbon Farming zur Erreichung der Klimaziele
Lebensmitteleinzelhändler stehen vor großen Herausforderungen, wenn sie die Emissionen in der Vorkette ihrer Produkte, also bei der Herstellung von Lebensmitteln, reduzieren möchten. Hier ist vor allem der Unterschied zwischen dem „Offsetting“ und „Insetting“ relevant. Über die oben erwähnten Hummus-Zertifikate können THG-Emissionen durch externe Projekte ausgeglichen werden (“Offsetting”) – für die Erreichung der Klimaziele ist dies jedoch nicht anrechenbar. Hier bedarf es einem „Insetting“, also die Umsetzung von Emissionsminderungsprojekten innerhalb der eigenen Lieferkette, zum Beispiel über Kohlenstoffspeicherung bei landwirtschaftlichen Betrieben.
Es scheint verlockend, bodenschonende Landwirtschaft zur Lieferantenanforderung zu machen oder deren Einsatz zu incentivieren. Wichtig ist aber: Händler müssen Primärdaten bei ihren Lieferanten & Produzenten sammeln, und die erreichte Reduktion von THG-Emissionen bzw. Kohlenstoffspeicherung messen, um diese für ihre Klimabilanz anzurechnen. Hierzu bedarf es der notwendigen Ressourcen und vor allem guter Lieferantenkenntnis und -beziehung – meist eine Herausforderung. Landwirtschaftliche Betriebe wiederum stehen vor der Herausforderung, Datenanfragen diverser Kunden nachzukommen. Branchenlösungen zur kollektiven Datensammlung könnten hier Abhilfe schaffen, erfordern aber ein gemeinsames Commitment und Kooperation von Händlern.
Wenn Unternehmen die Kohlenstoffspeicherungskapazität ihrer Lieferanten für Ihre Klimaziele nutzen, nehmen sie diesen damit die Möglichkeit, am Zertifikathandel teilzunehmen – das heißt also, dass Unternehmen ihren Lieferanten dafür auch eine entsprechende Vergütung gewährleisten müssen. Und was passiert, wenn man die Zusammenarbeit mit einem Betrieb beendet? Kann ein Unternehmen nicht mehr gewährleisten, dass der Kohlenstoff im Boden gespeichert bleibt, so müssen die Reduktionen wieder in die Bilanz aufgenommen werden.
Daumen hoch – trotz offener Fragen?
Es zeigt sich: Carbon Farming ist leichter gesagt als getan. Zahlreiche Aspekte wie die präzise Messung der Kohlenstoffbindung und die langfristige Speicherung müssen abschließend geklärt und standardisiert werden, damit Unternehmen es effektiv als Reduktionsmaßnahme nutzen können.
Letzten Endes muss auch gesagt sein: Carbon Farming bietet mehr als nur Klimavorteile. Die dahinterstehenden Methoden reduzieren Düngemittel- und Bewässerungsdarf, sind förderlich für die Biodiversität und machen die Landwirtschaft allgemein resilienter gegenüber klimatischen Veränderungen. Allein deshalb sollte man die regenerativen landwirtschaftlichen Praktiken, die hinter Carbon Farming stecken, unbedingt vorantreiben und unterstützen – mittelfristig, so zeigen Studien wird sich das auch finanziell auszahlen.