Die BAFA-Handreichung zeigt, wie wichtig eine Reflektion der Wirksamkeit und Angemessenheit der implementierten Maßnahmen ist. Zudem bietet sie eine klare Leitlinie für Abhilfemaßnahmen in herausfordernden Situationen. Im Folgenden stellen wir die wichtigsten Aspekte vor, welche zu einer erfolgreichen Zusammenarbeit entlang der Lieferkette beitragen.
Die Relevanz der Zusammenarbeit mit Lieferanten
Unternehmen, die Nachhaltigkeit und Achtung von Menschenrechten wirksam bei Ihrer Leistungserstellung berücksichtigen möchten, kommen an einer Zusammenarbeit mit Lieferanten und Liefernetzwerken nicht vorbei. Denn: Häufig entstehen relevante Auswirkungen und Risiken in der Lieferkette. Dementsprechend verpflichtet das LkSG Unternehmen zur Umsetzung von Sorgfaltspflichten – insbesondere in Bezug auf die unmittelbaren Zulieferer, aber auch für die sogenannte „tiefere Lieferkette“, also die mittelbaren Zulieferer.
Doch was bedeutet es, Sorgfaltspflichten in der Lieferkette angemessen umzusetzen? Die Ausgestaltung eines angemessenen Risikomanagements in komplexen Liefernetzwerken ist für Unternehmen eine Herausforderung. Best-Practice-Unternehmen gelingt es dabei, die Interessen des nach LkSG verpflichteten Unternehmens einerseits nach einer optimalen Risikoreduktion und -steuerung, aber auch gemäß der Interessen der Lieferanten (wie zum Beispiel Vertrauensschutz, Wirtschaftlichkeit und Unabhängigkeit) gleichermaßen zu berücksichtigen.
1. Verantwortung der verpflichteten Unternehmen laut BAFA-Handreichung
Eine klare Zuweisung von Verantwortlichkeiten innerhalb der Lieferkette ist in der BAFA-Handreichung von großer Bedeutung. Verpflichtete Unternehmen dürfen ihre Verantwortung nicht einfach an die Partner innerhalb der Lieferkette weiterreichen, sondern müssen die Einhaltung der Sorgfaltspflichten aktiv unterstützen und kontrollieren.
Konkrete und angemessene Anforderungen an Lieferanten
Es entspricht nicht den Sorgfaltsanforderungen des LkSG, dass verpflichtete Unternehmen einen Katalog an Zusicherungen, beispielsweise zur „Einhaltung des LkSG“ von Lieferanten pauschal einholen oder diese flächendeckend zur Umsetzung vielfältiger, gegebenenfalls kostenintensiver Maßnahmen verpflichten.
Wenn im Zuge der Risikoanalyse Risiken aufgedeckt werden, geht es darum, risikobasiert exponierten Lieferanten konkrete, angemessene Anforderungen bezüglich der Umsetzung der Präventivmaßnahmen zu stellen. Auch die Umsetzung sowie die Nachverfolgung der Maßnahmen ist Aufgabe des Unternehmens.
Alternative Anforderungen
Wenn die Umsetzung von Maßnahmen beim Lieferanten auf Widerstände stößt, sollte das Unternehmen mögliche Alternativen in Betracht ziehen. Wenn die Ausführung von Präventionsmaßnahmen bei einem Lieferanten nicht gelingt, kann sich das verpflichtete Unternehmen nicht auf den Standpunkt zurückziehen, dass der fragliche Lieferant „einfach nicht kooperiert“ – sondern das Scheitern der Präventionsmaßnahme muss plausibel begründet werden können.
Schulungen und Weiterbildungen als Beispiel
Auch am Beispiel der Durchführung von Schulungen und Weiterbildungen für Lieferanten wird die Verantwortung zur Sorgfalt für das verpflichtete Unternehmen deutlich.
Das Unternehmen sollte nicht nur Materialien zur Verfügung stellen, sondern auch aktiv auf Schulungen hinwirken. Zum Beispiel, indem Anreize zur Durchführung gesetzt und die Umsetzung und idealerweise auch der Schulungserfolg aktiv überprüft werden. Zudem sollte vorab geklärt werden, wer die Weiterbildung durchführt, organisiert und die Kosten trägt.
So soll gefördert werden, dass die aus Sicht des verpflichteten Unternehmens notwendigen Maßnahmen tatsächlich und so weit wie möglich umgesetzt werden.
2. BAFA-Handreichung betont Fokus auf Wirksamkeit und Angemessenheit
Die Handreichung des BAFA betont zudem die Notwendigkeit, bei der Auswahl von Präventivmaßnahmen auf die Prinzipien der Wirksamkeit und Angemessenheit zu achten.
Das Prinzip der Wirksamkeit
Wirksam sind laut § 4 Abs. 2 Maßnahmen, „die es ermöglichen, menschenrechtliche und umweltbezogene Risiken zu erkennen und zu minimieren sowie Verletzungen menschenrechtsbezogener oder umweltbezogener Pflichten zu verhindern, zu beenden oder deren Ausmaß zu minimieren, wenn das Unternehmen diese Risiken oder Verletzungen innerhalb der Lieferkette verursacht oder dazu beigetragen hat.“
Drei Aspekte sind essenziell
Die wirksame Umsetzung von Maßnahmen
Fokus auf ermittelte Risiken oder Verstöße
Die Wirksamkeit einer Präventivmaßnahme muss die ermittelten Risiken oder Verstöße in den Blick nehmen: Eine Maßnahme, die zum Beispiel eine sehr gute Qualität der hergestellten Produkte bei Lieferanten sicherstellt, bedeutet nicht, dass bei der Produktion auch menschenrechtliche Aspekte eingehalten wurden – wie beispielsweise eine angemessene Entlohnung oder das Ausbleiben von diskriminierenden Handlungen.
Präventivmaßnahme nach LkSG-Risikothemen
Die Wirksamkeit einer Präventivmaßnahme sollte nach den LkSG-Risikofeldern themenspezifisch ermittelt und überprüft werden: Eine „gute“ Wirksamkeit einer Maßnahme im Bereich Kinderarbeit hilft beispielsweise nicht, wenn das Risiko eigentlich im Bereich der Arbeitssicherheit liegt.
Umsetzbarkeit der Maßnahme
Die Maßnahme muss auch realisierbar sein: Es hilft nicht, von einem Lieferanten eine Maßnahme zu fordern, die er nicht umsetzen kann, weil tatsächliche Gründe dagegen sprechen – etwa immense Kosten oder eine mangelnde Verfügbarkeit der Maßnahme. Es liegt dann an dem verpflichteten Unternehmen, gegebenenfalls gemeinsam mit dem Lieferanten eine realisierbare Maßnahme zu identifizieren oder bei der Umsetzung, zum Beispiel durch Kostentragung oder Zubilligung einer längeren Umsetzungsperiode, zu unterstützen. Insofern sind die Aspekte „Wirksamkeit“ und „Angemessenheit“ eng miteinander verknüpft.
Regelbeispiele für wirksame Maßnahmen nach LkSG BAFA-Handreichung
- Berücksichtigung von menschenrechtlichen und umweltbezogenen Erwartungen bei der Auswahl des unmittelbaren Zulieferers
- Vertragliche Zusicherungen zur Einhaltung der Menschenrechte
- Wirksame Kontrollmaßnahmen
- Weiterbildungen und Schulungen für Mitarbeitende
Um diese Regelbeispiele nun wirksam zu machen, kommt es auf den richtigen Mix an Information, Verpflichtung und Kontrolle sowie die konkrete Ausgestaltung dieser Maßnahmen durch das verpflichtete Unternehmen an.
Das Prinzip der Angemessenheit
Bei der Umsetzung der Sorgfaltspflichten im Rahmen des LkSG spielt das Prinzip der Angemessenheit eine zentrale Rolle: Dieses eröffnet den betroffenen Unternehmen einen Handlungsspielraum bei der Wahl und Ausgestaltung von Präventivmaßnahmen. Auch was die Gestaltung der Umsetzung sowie die eingesetzten Ressourcen angeht, verfügen Unternehmen über Flexibilität. Der Umfang der Präventionsmaßnahmen darf durch das Prinzip der Angemessenheit von vier Faktoren abhängig gemacht werden:
- Art und Umfang der Geschäftsfähigkeit
- Einflussvermögen des Unternehmens
- Schwere und Eintrittswahrscheinlichkeit von Verletzungen der Menschenrechte
- Art des Verursachungsbeitrags
Ein undifferenziertes Ausspielen von Präventivmaßnahmen nach dem „Gießkannen-Prinzip“ ist in der Regel sowohl unwirksam als auch unangemessen.
Ein Beispiel hierfür wäre, von allen Lieferanten (unabhängig von deren Risikolage) ein kosten- und zeitintensives Audit oder Self-Assessment zu fordern.
3. Augenmerk auf Abhilfemaßnahmen
Trotz der Umsetzung von risikobasierten Präventivmaßnahmen kann und wird es in Lieferketten immer wieder auch zu tatsächlichen Verstößen kommen. In diesem Falle gilt es, möglichst schnell und wirksam „Abhilfe“ zu schaffen. Die BAFA-Handreichung bietet klare Leitlinien für die Durchführung von Abhilfemaßnahmen.
Das verpflichtete Unternehmen muss in Zusammenarbeit mit dem Zulieferer, bei dem Verstoß entdeckt wurde, ein Konzept zur Abhilfe entwickeln. Dabei sollte der betreffende Zulieferer aktiv zur Umsetzung einer abhelfenden Maßnahme befähigt werden, z.B. durch das Anstoßen einer Schulung, die über die Relevanz der Vermeidung des Verstoßes sowie mögliche Ursachen und Lösungskonzepte informiert.
Angemessene Kostenteilung und Kündigung
Bei Auswahl und Umsetzung einer Abhilfemaßnahme sollten die verpflichteten Unternehmen zudem darauf achten, dass eventuelle Kosten aufkommen können. Diese sollten angemessen geteilt werden. Dabei gilt es, die oben aufgeführten Angemessenheitskriterien, also auch die jeweilige Leistungsfähigkeit des Zulieferers, im Blick zu behalten.
Eine Kündigung der Geschäftsbeziehung sollte auch im Falle von Verstößen immer nur eine letztmögliche Option bleiben. Vielmehr sollte zunächst bei Verstößen auf die Erarbeitung einer langfristig tragfähigen Lösung hingearbeitet werden, sodass der Missstand in Zukunft nicht mehr auftritt.
4. Takeaways zur BAFA-Handreichung
Ein One-Size-Fits-All-Ansatz funktioniert nicht und widerspricht dem Sorgfalts-Gedanken des LkSG. Ein wirksames und angemessenes Risikomanagement in der Lieferkette funktioniert nur, wenn die jeweiligen Risiken und Möglichkeiten zur Umsetzung von Maßnahmen bei Zulieferern möglichst individuell berücksichtigt werden. Die Angemessenheitskriterien des LkSG geben hierfür wertvolle Hinweise.
Eine Priorisierung von Aktivitäten in der Lieferkette entlang der Angemessenheitskriterien ist entscheidend. Sie versetzen verpflichtete Unternehmen in die Lage, risikobasiert und fokussiert auf diejenigen Lieferanten und Lieferketten zu schauen, die besonders hohe Risiken aufweisen, für die besonders gute Einflussmöglichkeiten bestehen und gegebenenfalls auch eigene Verursachungsbeiträge reduziert werden müssen. Eine kluge Umsetzung der Angemessenheit hilft, besonders wirkungsvoll menschenrechtliche Risiken in Lieferketten zu adressieren, ohne die eigene Organisation zu überfordern.
Die Verantwortung der verpflichteten Unternehmen endet nicht damit, dass sie Anforderungen formulieren – sie müssen ihre Lieferanten auch aktiv unterstützen und einen Eigenanteil für eine gelungene Umsetzung von Präventivmaßnahmen leisten.
Anforderungen an Maßnahmen müssen realistisch bleiben. Eine Maßnahme, die einen Lieferant überfordert, erweist sich als unwirksam und unangemessen.