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    Klimaschutz

    Grüner Stahl – Die Transformation einer Schlüsselindustrie

    Die Stahlproduktion steht vor einem tiefgreifenden Wandel. Als zentrale Emissionsquelle in der Industrie rückt sie zunehmend in den Fokus von Dekarbonisierungsstrategien.

    28. Mai 2025

    Die Herstellung von sogenanntem „grünem Stahl“ verspricht eine klimafreundlichere Zukunft für die Stahlindustrie – doch wie kann das gelingen?

    Anteil der CO2 Emissionen aus Stahl an der Gesamtemission eines Produkts

    Was ist grüner Stahl?

    „Grüner Stahl“ ist ein Sammelbegriff für verschiedene Formen CO₂-reduzierter oder -neutraler Stahlproduktion. Dazu zählen unter anderem: Stahl, der mit grünem Wasserstoff statt Kohle produziert wird, Stahl mit zertifiziert niedrigem Emissionsgehalt, sowie vollständig klimaneutral hergestellter Stahl.

    Diese neuen Produktionsmethoden gewinnen an Bedeutung, da herkömmliche Stahlherstellung in manchen Produkten bis zu 80 % der Gesamtemissionen verursachen kann.

    Vergleich von klassischer Stahlproduktion und innovativer Route über Direktreduktionsanlage für grünen Stahl

    Der deutsche Stahlmarkt im Umbruch

    Die deutsche Stahlindustrie steht vor einer fundamentalen Transformation. Bisher dominierte die klassische Hochofenroute, doch neue Technologien wie die Direktreduktion (DRI) sowie der vermehrte Einsatz von Schrott und Ökostrom verändern das Bild. Während 2023 noch 70 % des Stahls aus Hochöfen kamen, erwartet man bis 2030 eine ausgeglichenere Verteilung zwischen Hochofenstahl, DRI-Stahl und Sekundärstahl aus Recycling.

    Perspektivische Marktverteilung der einzelnen Produktionsrouten

    Zertifizierung von grünem Stahl: Der LESS-Standard

    Um klimafreundlichen Stahl auch als solchen auszuweisen, wurde in Deutschland der Low Emission Steel Standard (LESS) entwickelt – ein freiwilliges Kennzeichnungssystem der Wirtschaftsvereinigung Stahl in Kooperation mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK).

    Grafik zum Zertifizierungssystem von grünem Stahl

    LESS basiert auf dem Mass-Balance-Ansatz, bei dem nachhaltige und konventionelle Materialien gemeinsam verarbeitet werden. Der nachhaltige Anteil wird rechnerisch auf die Endprodukte verteilt, ohne dass eine physische Trennung nötig ist. Entscheidend sind der eingesetzte Schrottanteil und die CO₂-Intensität pro Tonne Stahl. Daraus ergibt sich eine sechsstufige Klassifizierung – von „Near Zero“ (nahezu emissionsfrei) bis „E“ („schlechteste“ Kategorie“).

    Der Less – Standard als Treiber der Transformation

    Der Low Emission Steel Standard (LESS) bietet nicht nur eine praktikable Lösung für die Zertifizierung von klimafreundlichem Stahl, sondern schafft auch einen strukturierten Rahmen, innerhalb dessen sich die Industrie systematisch und glaubwürdig transformieren kann. Die Stahlindustrie funktioniert größtenteils in einem eigenen, relativ abgeschlossenen System – von der Rohstoffbeschaffung über die Produktion bis hin zur Auslieferung an industrielle Großkunden.

    LESS schafft in diesem Umfeld eine neue Transparenz und Vergleichbarkeit, indem es standardisierte CO₂-Grenzwerte definiert, die sich am Schrottanteil und an der Produktionsweise orientieren. Unternehmen erhalten damit die Möglichkeit, ihre klimafreundlicheren Stahlerzeugnisse klar auszuweisen – ein wichtiger Schritt für nachhaltige Beschaffungsprozesse und Ausschreibungen. Dabei ist besonders relevant, dass LESS keine vollständige Umstellung der Produktion voraussetzt: Der zugrunde liegende Mass-Balance-Ansatz ermöglicht es, nachhaltige Materialanteile rechnerisch auf Produkte zu verteilen, ohne die physische Trennung im Produktionsprozess vornehmen zu müssen. So können Unternehmen ihre Prozesse flexibel und schrittweise transformieren, ohne sofort in teure Parallelanlagen investieren zu müssen.

    Gleichzeitig setzt LESS ein wichtiges Marktsignal für die Dekarbonisierung der Branche. Produzenten, die grüne Technologien wie Wasserstoff oder erneuerbaren Strom einsetzen, erhalten direkte Vorteile im Klassifizierungssystem – was Investitionen in emissionsmindernde Maßnahmen wirtschaftlich attraktiver macht. Diese Transformation kann zudem auf Basis bestehender Infrastruktur erfolgen, da viele Anlagen durch den Einsatz alternativer Energien weitergenutzt und schrittweise angepasst werden können. So wird ein schnellerer Wandel ermöglicht, ohne den laufenden Betrieb zu gefährden.

    Die Glaubwürdigkeit des Systems wird durch mehrere Schutzmechanismen sichergestellt: Jede Charge erhält eine eindeutige Identifikationsnummer, Emissionsberechnungen werden von unabhängigen Stellen geprüft, und in einem Register wird nachvollziehbar dokumentiert, wie viel klassifizierter Stahl produziert wurde. Diese lückenlose Rückverfolgbarkeit stärkt das Vertrauen von Abnehmern, Investoren und politischen Entscheidern gleichermaßen.

    1 Jahr CSRD Cover
    Unser Positionspapier

    Ein Jahr CSRD: Alles klar? Wohl nicht so ganz.

    Ein Jahr nach der Einführung der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) stehen Unternehmen in Europa vor der spannenden Aufgabe, diese wegweisende Richtlinie in Ihr Nachhaltigkeitsmanagement zu integrieren.
    Was bedeutet die aktuelle Rechtsunsicherheit für mein Unternehmen in 2025?
    Welche Chancen ermöglicht mir die CSRD?
    Was kann ich aus den Erfahrungen anderer Unternehmen lernen?
    Wie schaffe ich eine erfolgreiche CSRD-Umsetzung?

    Paper anschauen

    Der Less – Standard in der Kritik:

    Trotz seiner Stärken ist der LESS-Standard nicht frei von Kritik. Ein zentraler Kritikpunkt betrifft die sogenannte gleitende Skala, bei der strengere CO₂-Grenzwerte gelten, je höher der Schrottanteil eines Produkts ist. Das führt dazu, dass Sekundärstahl aus Recyclingmaterialien, obwohl er besonders klimafreundlich ist, teilweise strengeren Anforderungen unterliegt als Primärstahl. Auch wird befürchtet, dass die Massenbilanzierung – also die rechnerische Zuweisung nachhaltiger Rohstoffe ohne physische Trennung – das Risiko von Greenwashing erhöht, wenn Unternehmen ihre Produkte als „grün“ deklarieren, ohne dass dies durch tatsächliche Emissionsminderung gedeckt ist. Die Glaubwürdigkeit des Systems hängt daher maßgeblich von klaren Regeln, transparenter Kommunikation und unabhängiger Kontrolle ab. Außerdem bleibt abzuwarten, inwieweit LESS über den relativ abgeschlossenen Stahlsektor hinaus auf andere Branchen und internationale Märkte übertragbar ist, etwa im Rahmen vollständiger Product Carbon Footprints (PCFs).

    Grüner Stahl: Die Transformation steht vor der Tür

    Noch ist in Deutschland kein klimaneutraler Stahl aus Direktreduktionsanlagen am Markt erhältlich. Doch mit dem Start neuer Direktreduktionsanlagen durch Unternehmen wie Salzgitter (vrsl. ab 2026), Thyssenkrupp (vrsl. 2027) und ArcelorMittal (vrsl. 2025) beginnt die Umstellung. Währenddessen gilt Stahl aus 100 % Schrottrecycling und Ökostrom aktuell als das klimafreundlichste Produkt.

    In diesem Zusammenhang fungiert der LESS als Zertifizierungssystem für die technologische Transformation. Wie und in welcher Form dieser in internationalen Märkten Anschluss findet und welche Rolle er außerhalb der Stahlindustrie einnehmen wird, bleib abzuwarten. Klar ist jedoch: Die Stahlindustrie steht am Anfang einer weitreichenden Veränderung – und grüner Stahl ist ein entscheidender Baustein auf dem Weg zur Klimaneutralität.

    Unternehmensberaterin Jenny Bellan im Austausch
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