Das „Neue Normal“ durch die Klimakrise
In den kommenden zehn Jahren bereiten den Menschen die Folgen des Klimawandels die größten Sorgen.Das berichtete der Global Risk Report 2024. Bereits 2023 haben wir fast 1,5°C globale Erwärmung erreicht, so die Daten des Copernicus Climate Change Service. Diese Temperatursteigerung steht in direktem Zusammenhang mit der Häufigkeit und Intensität von Extremwetterereignissen (IPCC). Die Klimakrise rückt nicht näher auf uns zu, wir sind schon mittendrin und das erfordert Klimaresilienz in unserem Handeln.
Klimarisiken
Beispiele
Dürre und Überflutung in Deutschland
Ein Beispiel für die zunehmende Unberechenbarkeit des Wetters erlebt Deutschland regelmäßig. Ahrtal im Jahr 2021 hat gezeigt, was die Folgen sind, wenn hohe Regenmengen großflächige Überschwemmungen verursachen. Gleichzeitig führen häufigere Dürreperioden zu Ernteausfällen und beeinträchtigen wasserintensive Industrien.
Überschwemmung in Thailand
Ein weiteres greifbares Beispiel ist die Flutkatastrophe in Thailand, die 2011 global zu Betriebsunterbrechungen in fast 15.000 Unternehmen und einem Einbruch der weltweiten Festplattenproduktion um ein Drittel geführt hat.
Waldbrände in den USA und Australien
Auch die zunehmend intensiven Waldbrände in, zum Beispiel, USA und Australien stören und verzögern globale Lieferketten vieler Branchen. Das Buschfeuer 2019-2020 in Australien war nur einer vieler großflächigen Brände, die wir weltweit erleben.
Folgen dieser Ereignisse
Diese Entwicklungen verdeutlichen die Notwendigkeit, sich intensiv mit dem Thema Klimaresilienz auseinanderzusetzen. Wer frühzeitig nachhaltige Strategien entwickelt, um die Widerstandsfähigkeit gegenüber klimabedingten Veränderungen zu stärken, kann sich auf das „neue Normal“ vorbereiten und die Risiken für das eigene Unternehmen minimieren.
Wetterextreme fordern Klimaresilienz der Unternehmen
So sind zunehmende Extremwetterereignisse gemäß einer globalen und branchenübergreifenden Umfrage des Business Continuity Institutes (BCI) aus dem Jahr 2018 nach Ausfällen in der IT- oder Telekommunikation die zweithäufigste Ursache für Betriebsunterbrechungen. Befragte Unternehmen in Ostasien, Südostasien sowie Indien, also Regionen oder Länder, die in den Lieferketten vieler deutscher Unternehmen vertreten sind, nannten Wetterextreme sogar als führende Ursache für Produktionsstörungen.
Nach einer repräsentativen Umfrage der KfW von fast 11.000 deutschen Unternehmen hatten Stand 2022 aber nur 14 % der Unternehmen Anpassungsmaßnahmen, wie die Sicherung von Räumlichkeiten und Anlagen gegen Überschwemmungen, umgesetzt.
Unternehmen, die sich frühzeitig mit der eigenen Klimaresilienz, also der Transition und Anpassung an Klimarisiken, auseinandersetzen, können vielfältige Chancen nutzen und Risiken durch frühzeitige Klimawandelanpassung minimieren. Dabei ist es entscheidend, Strategien für den Klimaschutz und die Klimawandelanpassung nicht isoliert zu betrachten, sondern sie in die Nachhaltigkeitsstrategie bzw. Unternehmensstrategie einzubetten. Auch die EU-Gesetzgebung hat die Wichtigkeit einer Auseinandersetzung mit Klimarisiken erkannt und fordert Unternehmen dazu auf, sich im Rahmen der CSRD damit auseinanderzusetzen.
Klimaresilienz heißt Klimaschutz und Umweltanpassung zusammenzudenken
Bislang fokussieren sich viele Unternehmen vor allem auf die Auswirkungen ihres Handels auf die Umwelt. Diese Schadensperspektive kann beispielsweise durch die Bilanzierung von externen Kosten oder einer Unternehmens-Treibhausgasbilanz erfolgen. Diese Analysen können dann als Grundlage für eine umfassende Nachhaltigkeitsstrategie oder eine Klimastrategie im Rahmen der Science Based Targets Initiative (SBTi) dienen. So werden Unternehmen in ihrem Beitrag zur Verringerung der negativen Umwelt-Einflüsse unterstützt.
An die Nachhaltigkeitsstrategie eines Unternehmens knüpfen Fragestellungen der Klimaresilienz an. Anstatt sich nur auf die Schadensperspektive zu konzentrieren, wird hier auch die Risikoperspektive intensiv mitgedacht. Es stellt sich die Frage, welche Risiken der Klimawandel für die Lieferkette und die Standorte eines Unternehmens mit sich bringt. So müssen diese Risiken in die zentralen KPIs für die Unternehmenssteuerung und das Controlling integriert werden, um eine effektive Anpassung und flexible Reaktion auf den Klimawandel zu gewährleisten, mit dem Ziel eine Resilienz aufzubauen. Durch die Kombination von Klimaschutz und Umweltanpassung kann langfristiger unternehmerischer Erfolg realisiert werden.
Umweltanpassung stellt Unternehmen vor Herausforderungen
Die Herausforderung bei der Bewertung von Klimarisiken liegt in ihrer Heterogenität, der schwierigen Greifbarkeit und Quantifizierbarkeit. Einerseits sind Unternehmen von physischen Risiken betroffen, die beispielsweise durch Extremwetterereignisse wie Starkregen, Dürren oder kontinuierlich durch den ansteigenden Meeresspiegel entstehen können. Andererseits müssen Unternehmen transitorische Risiken auf dem Weg zu einer 1,5°C-konformen Welt mitdenken. Dazu gehören Technologierisiken, wie beispielsweise die Mehrkosten für emissionsärmere Technologien oder Stranded Assets – Investitionen, die durch den Klimawandel an Wert verlieren. Daneben sind Unternehmen mit veränderten Marktgleichgewichten, verschärften Regulationen (z.B. Berichtspflichten, Ausweitung der Verantwortung in Lieferketten) und Reputationsrisiken konfrontiert.
Klimaresilienz entlang der gesamten Wertschöpfungskette
Möchte sich ein Unternehmen gegen physische Klimarisiken wappnen, reicht eine Betrachtung der eigenen Standorte nicht aus. Physische Klimarisiken, die zu Produktionsunterbrechungen und Kostensteigerungen führen, können nämlich entlang der gesamten Wertschöpfungskette auftreten. Schon die erste Stufe der Wertschöpfungskette, die Rohstoffbeschaffung, ist besonders anfällig für Klimarisiken. Beispielsweise führen Dürre, Hitze und Starkregen zu Ertragsminderung oder Qualitätseinbußen bis hin zu Ernteausfällen bei Agrarrohstoffen. Und auch der Bergbau, auf dessen Erzeugnisse zahlreiche Branchen, wie etwa die Automobilindustrie, angewiesen sind, kann durch starke Regenfälle oder zu geringe Wasserverfügbarkeit beeinträchtigt sein. In der Folge können Lieferverzögerungen oder -ausfälle sowie Preissteigerungen auftreten.
Aber auch extremwetterbedingte Produktionsausfälle von direkten Lieferanten oder Vorlieferanten durch Überschwemmungen, wetterbedingte Stromausfälle oder zu geringe Wasserverfügbarkeit können zu Produktionseinschränkungen für ein Unternehmen führen. Die Gefahr ist besonders groß, wenn eine hohe Abhängigkeit von einem Lieferanten oder mehreren Lieferanten in derselben Region besteht oder wenn das Unternehmen eine Just-in-Time oder Just-in-Sequence-Lieferstrategie verfolgt, die nur wenig Spielraum bietet, um Produktionsausfälle von Lieferanten abzufedern.
Auch in der Logistik kann es durch Extremwetterereignisse zu Unterbrechungen und damit zu Lieferverzögerungen oder Kostensteigerungen durch Transportverlagerungen kommen. Wenn die Zulieferung durch Transporteinschränkungen, etwa durch Einschränkung der Binnenschifffahrt durch Hoch- oder Niedrigwasser oder eine durch Sturm oder Überschwemmung eingeschränkte Befahrbarkeit von Straße oder Schiene zu spät oder sogar gar nicht erfolgen kann, liegt ein Risiko für Produktionsunterbrechungen vor. Auch hier erhöht eine Just-in-Time-Lieferstrategie die Vulnerabilität. Einschränkungen der Binnenschifffahrt in Deutschland durch die Hitze und Trockenheit in den Sommern 2018 und 2019 führten zu Transportengpässen und zwangen Unternehmen, ihre Produktion herunterfahren oder sogar zeitweise ganz stillzulegen.
Physische Klimarisiken können auch Auswirkungen an den eigenen Standorten haben. Wie vulnerabel ein Standort gegenüber einem Klimarisiko ist, hängt von verschiedenen Faktoren ab, etwa davon, ob ein Standort an einem Fließgewässer oder auf einer Erhöhung liegt, wie hoch die Versiegelung und wie gut die Abwasserkanäle ausgebaut sind. Typische Klimarisiken an den eigenen Standorten sind Gebäude- und Anlagenschäden durch Hochwasser oder Sturm, extremwetterbedingte Stromausfälle, die zu teuren Produktionsunterbrechungen führen können, oder eine sinkende Leistungsfähigkeit der Mitarbeitenden und ein gesteigerter Kühlwasserbedarf durch Hitze.
Individuelle Risikobewertung für maßgeschneiderte Klimaresilienz
Jedes Unternehmen hat abhängig vom Geschäftsmodell eigene Risikoschwerpunkte. Deshalb ist es unerlässlich, Klimarisiken passgenau für ein Unternehmen zu analysieren, um eine Klimaresilienz zu etablieren. Zum Beispiel kann ein Unternehmen besonders auf die Verfügbarkeit und Qualität von Trinkwasser angewiesen sein.
Casestudy
Wasserrisikoanalyse am Beispiel eines Getränkeherstellers
Systain führte eine Wasserrisikoanalyse für einen Getränkehersteller mit mehreren Standorten in Deutschland durch. Zunächst wurden die möglichen Wasserbezugsquellen analysiert, gefolgt von einer Untersuchung der aktuellen und zukünftigen Verfügbarkeit dieser Quellen. Dabei wurden auch Trends in der Wasserentnahme berücksichtigt, insbesondere der Einfluss von Privathaushalten, Unternehmen und der Landwirtschaft.
Basierend auf diesen Daten bewertete Systain das physische, regulatorische und reputatorische Wasserrisiko für die Standorte. Dabei hatten Standorte mit mehreren Wasserquellen ein geringeres Risiko als solche, die ausschließlich auf Grundwasser angewiesen sind.
CSRD stellt die Anpassung von Unternehmen an den Klimawandel in den Vordergrund
Während die Berichterstattung über Klimarisiken durch Unternehmen in der EU bisher freiwillig über den im Jahr 2015 etablierten TCFD-Standard (Taskforce on Climate-related Financial Disclosures) erfolgte, wird diese durch den ESRS E1 der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) nun verpflichtend. Unternehmen, die von der CSRD betroffen sind, müssen nicht nur über ihre eigenen Auswirkungen auf den Klimawandel berichten, sondern auch über die zu erwartenden Auswirkungen des Klimawandels auf ihr Geschäft.
Die Anforderungen der CSRD sind umfassend und erfordern eine intensive Auseinandersetzung mit Klimarisiken. Dazu gehört die Beschreibung der Klimaresilienz von Strategie und Geschäftsmodell in Bezug auf den Klimawandel, eine umfassende Resilienzanalyse unter verschiedenen Klimaszenarien sowie detaillierte Angaben von Vermögenswerten und Nettoeinnahmen, die von physischen und transitorischen Klimarisiken bedroht sind.
Neben der CSRD spielt auch die EU-Taxonomie eine wichtige Rolle. Die Anpassung an den Klimawandel ist eines der sechs Umweltziele der EU-Taxonomie. Unternehmen müssen taxonomiefähige Wirtschaftstätigkeiten einer umfassenden Klimarisiko- und Vulnerabilitätsanalyse unterziehen und den Anteil taxonomiekonformer Umsatzerlöse, Investitionsausgaben und Betriebskosten angeben. Das bedeutet, dass Investitionen in Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel und der Umsatz aus Tätigkeiten, die andere Unternehmen bei der Anpassung an den Klimawandel unterstützen, die Taxonomiekonformität eines Unternehmens erhöhen.
Rechtzeitige Auseinandersetzung mit Klimarisiken als Schlüssel zur Klimaresilienz
Wir empfehlen eine rechtzeitige Auseinandersetzung mit Klimarisiken, um Ihre Klimaresilienz zu stärken und den Anforderungen der CSRD gerecht zu werden. Die CSRD stellt zunächst zwar nur qualitative Anforderungen in Bezug auf eine Klimarisikoanalyse an Unternehmen. Dennoch empfehlen wir schon jetzt eine gründliche Auseinandersetzung mit diesem Thema. Unternehmen sollten nicht nur wegen der CSRD-Richtlinie frühzeitig handeln, sondern auch aus eigenem Interesse, um Geschäftsrisiken frühzeitig zu analysieren und durch Resilienz zu minimieren. Zudem bieten sich durch die aktive Beschäftigung mit Klimarisiken Chancen für eine nachhaltige Geschäftstransformation und damit die Aussicht auf einen Wettbewerbsvorteil, durch die Nachhaltigkeitsstrategie. Wir empfehlen daher, jetzt damit zu beginnen, ihre Klimaresilienz sicherzustellen. So ist die Aufgabe machbar. Mit unserer Expertise stehen wir Ihnen bei jedem Schritt zur Seite und helfen Ihnen dabei, die Anforderungen der CSRD zu erfüllen und Ihr Unternehmen widerstandsfähiger gegenüber klimabedingten Risiken zu machen.