Am 15. März 2024 haben die EU-Mitgliedsstaaten nun tatsächlich für die CSDDD (oder auch CS3D) gestimmt.
Und nun? Wie ist der verabschiedete Kompromiss zur „Menschenrechtlichen Sorgfalt“ zu bewerten? Ist er ein Gewinn für die Umsetzung von menschenwürdigen Standards in den Betrieben weltweit? Sieht er ein für Unternehmen umsetzbares Vorgehen vor? Und was bedeutet die CSDDD für all die deutschen Unternehmen, die mit der Umsetzung des LkSGs bereits alle Hände voll zu tun haben?
Unseren ersten Eindruck zur CSDDD haben wir kompakt zusammengefasst.
Wer ist von der CSDDD betroffen?
In den Anwendungsbereich der CSDDD fallen alle EU-Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitern und einem weltweiten Umsatz von mehr als 450 Mio. EUR sowie für nach dem Recht eines Drittstaates gegründete Unternehmen, die im vorangegangenen Geschäftsjahr in der Union einen Nettoumsatz von mehr als 450 Mio. EUR erzielt haben.
Voraussichtlicher Umsetzungsplan
Ein Ergebnis der im letzten Moment durchgesetzten Verhandlungspunkte der Mitgliedsstaaten im Europäischen Rat war die Einführung einer stufenweisen Anwendung (Phase-In) des EU-Lieferkettengesetzes nach Unternehmensgröße und Umsatz.
Es ergibt sich voraussichtlich folgende Zeitschiene:
Timeline
Stufenweise Anwendung
Löst die CSDDD das LkSG ab?
Gute Frage – denn es gibt durchaus diverse Unterschiede:
- Der Anwendungsbereich der CSDDD unterscheidet sich von dem des LkSG. Das LkSG betrifft derzeit Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitern, eine Umsatzbetrachtung wie in der CSDDD findet bislang nicht statt.
- Der Themenschnitt der CSDDD unterscheidet sich von dem des LkSG. Insbesondere sind die Betrachtung von Umweltaspekten und die Anforderungen an den Umgang mit den Auswirkungen des Klimawandels in der CSDDD stärker im Fokus.
- Die in den Sorgfaltsprozess der CSDDD einzubeziehenden Teile der Lieferkette unterscheiden von denen des LkSG. Nach der CSDDD muss risikobasiert die gesamte vorgelagerte Lieferkette (upstream) und direkte nachgelagerte Geschäftspartner aus den Bereichen Distributionslogistik, Transport und Lagerung (downstream) betrachtet werden.
- Die CSDDD führt eine zivilrechtliche Haftung bei Nichteinhalten der Anforderungen ein, die vom LkSG ausdrücklich ausgeschlossen ist.
- Die Pflicht zur Abhilfe & Wiedergutmachung bei tatsächlichen negativen Auswirkungen ist in der CSDDD deutlich stärker ausgeprägt als im LkSG
Zusammenhänge zwischen CSRD, LkSG und CSDDD
Das LkSG enhält eigene Anforderungen an die Berichterstattung. Es wird zwar politisch diskutiert, die LkSG-Berichtspflicht in der Berichterstattung nach der CSRD aufgehen zu lassen – das deutsche CSRD-Umsetzungsgesetz enthält eine entsprechende Bestimmung – beschlossene Sache ist das aber noch nicht.
Die Corporate Sustainability Due Diligence Directive sieht ihrerseits eine Berichterstattung im Rahmen der CSRD vor, wodurch spätestens nach der Umsetzung in nationales Recht hier ein Gleichlauf hergestellt wird.
Bedeutung des risikobasierten Ansatzes für Unternehmen
Die CSDDD betont wie das LkSG den risikobasierten Ansatz. Unternehmen sollen danach die ermittelten potentiellen menschenrechtlichen und umweltbezogenen Risiken und tatsächliche Auswirkungen nach bestimmten Kriterien priorisieren.
Der risikobasierte Ansatz kommt im Unterschied zum LkSG im Rahmen der CSDDD jedoch zur vollen Entfaltung. Denn die CSDDD kennt zum Einen im Unterschied zum LkSG keine Fokussierung auf die direkten Zulieferer (Konzept der „substantiierten Kenntnis“ in der tieferen Lieferkette beim LkSG), sondern fordert Unternehmen dazu auf, unmittelbar die gesamte Lieferkette („chain of activities“), upstream und downstream, in den Blick zu nehmen. Zunächst soll sich auf diejenigen Teile der Lieferkette konzentriert werden, bei denen die schwersten Verletzungen drohen und deren Verwirklichung am wahrscheinlichsten erscheint.
Zudem sind im Rahmen der Risikoanalyse beim EU-Lieferkettengesetz dementsprechend nur die risikobezogenen Aspekte Wahrscheinlichkeit und Schwere zu betrachten. Im Gegensatz zum LkSG können die weiteren Angemessenheitskriterien Einflussvermögen und Verursachungsbeitrag des Unternehmens bei der Risikoanalyse außer Acht gelassen werden. Bei Bestimmung adäquater Maßnahmen werden sie aber dennoch wichtig.
Casestudy
Umsetzung der jährlichen Risikoanalyse gem. LkSG
Unternehmen mit einer großen Vielzahl an Lieferanten sollten im Rahmen der jährlichen Risikoanalyse nach dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) Lieferanten mit einem effizienten & wiederholbaren Verfahren risikobasiert und auf Basis der Angemessenheitskriterien priorisieren.
Haftung, Strafen, Wiedergutmachung und Co.
Das EU-Lieferkettengesetz führt im Unterschied zum LkSG den Aspekt der Wiedergutmachung ein. Es ist nicht zu erwarten, dass Haftungsregeln über die bestehenden des nationalen Rechts hinausgehen werden, aber die Ausgestaltung hängt letztlich noch vom nationalen Gesetzgeber ab.
Zunächst betont die CSDDD die Pflicht von Unternehmen, die tatsächliche negative Auswirkungen (mit-)verursacht haben, Abhilfe zu schaffen. Die CSDDD fasst hierunter im Gegensatz zum LkSG ausdrücklich auch einen Anspruch der Betroffenen auf finanziellen Ausgleich eingetretener Schäden.
Die CSDDD sieht zudem zur Durchsetzung der gesetzlichen Sorgfaltsanforderungen die Möglichkeit von Strafzahlungen in Höhe von bis zu 5% des weltweiten Umsatzes vor (beim LkSG sind es 2%).
Auch fordert die CSDDD die Mitgliedsstaaten auf, in ihren Rechtsordnungen eine Möglichkeit der zivilrechtlichen Haftung von Unternehmen vorzusehen, wenn diese vorsätzlich oder fahrlässig gegen die Forderung nach angemessenen Präventions- und Abhilfemaßnahmen verstoßen und dadurch einer natürlichen oder juristischen Person ein Schaden entstanden ist. Gewerkschaften und Nichtregierungsorganisationen sollen ein Recht zur Durchsetzung solcher Ansprüche haben.
Zudem werden Unternehmen umfassender in die Verantwortung genommen, sich an den Kosten zu beteiligen, die bei ihren Lieferanten in der Lieferkette durch die Einhaltung der Sorgfaltsprozesse und die Umsetzung von Maßnahmen entstehen können.
Bewertung der CSDDD aus menschenrechtlicher Sicht
Trotz aller Kompromisse im Gesetzgebungsprozess sind die wesentlichen Elemente menschenrechtlicher Sorgfalt nach dem Vorbild der UNGP und den OECD Guidelines in der Corporate Sustainability Due Diligence Directive fest verankert. Insbesondere der Ausblick auf ein europaweit einheitliches Regime und die weitgehende Einbeziehung der gesamten Lieferkette upstream und (in Grenzen) downstream verbunden mit scharfen Durchsetzungsmechanismen in Form von Strafzahlungen, zivilrechtlicher Haftung und der Forderung nach Wiedergutmachung sind starke Instrumente zur Umsetzung menschenrechtlicher Sorgfalt, insbesondere im Vergleich zum LkSG.
Auch ist aufgrund des umfassenderen thematischen Anwendungsbereichs der CSDDD sowie der stärkeren Fokussierung auf Wiedergutmachung eine vermehrte Geltendmachung von Rechten durch Betroffene zu erwarten. Deutsche Unternehmen haben im Rahmen der Einführung von Prozessen und der Definition von Verantwortlichkeiten zur Umsetzung des LkSG hier bereits wichtige Arbeit geleistet und können darauf aufbauen.